Skip to main content

Nordkurierartikel: Martin Niedzwetzki antwortet auf die Frage, warum sich die Windräder an der A20 nicht immer drehen

Warum drehen sich diese Windräder nicht immer?

Bartow / Lesedauer: 5 min

Nicht immer drehen sich Windräder bei genügend Wind – weil sie absichtlich abgeschaltet werden. Aber warum? (Foto: Kai Horstmann)
Warum stehen in diesem Windpark an der A20 die Windräder so oft still? Das fragt sich ein Bürgermeister aus der Seenplatte. Hier die Erklärung.

Veröffentlicht: 15.04.2023, 18:46
Author: Kai Horstmann

„Warum stehen die Windräder in unserer Gemeinde so oft still?“ Eine Frage, die dem Bürgermeister von Bartow in der Mecklenburgische Seenplatte, René Nast, schon länger Kopfzerbrechen bereitet. Die Anlagen nahe der A20 stehen unter anderem auf Flächen der LandgutBartow GmbH, errichtet und betrieben werden sie durch die WindBauer GmbH aus Neubrandenburg. Bartows Bürgermeister René Nast fordert den Ausbau von Trassen, damit der Strom auch in Deutschland verteilt werden kann.

Windrad–Abschaltung: Diese Gründe gibt es

Dem Nordkurier erklärt WindBauer-Geschäftsführer Martin Niedzwetzki, warum sich die Rotorblätter nicht immer drehen.

„Wir haben im Zuge der Genehmigung entsprechende Auflagen bekommen, die wir berücksichtigen müssen.“ So spielt es beispielsweise eine Rolle, wann sich die Rotorblätter drehen oder anders ausgedrückt, wie die Sonne steht. Diese wirft durch ihr Licht morgens und abends durch die Rotorblätter Schatten auf die Umgebung von Windrädern.

Durch den Hell–Dunkel–Rhythmus drehender Windräder könnten Autofahrer auf Schnellstraßen, wie der nahen Autobahn, geblendet werden. Reicht dieser bis in die unmittelbarer Nähe von Wohnungen so werden die Anlagen abgeschaltet um eine Beeinträchtigung der Anwohner vorzubeugen.

Ein weiterer Grund in Bartow sind Fledermäuse, weshalb die Windräder während der Abenddämmerung abgeschaltet werden müssen. Aber auch der Winter hat so seine Tücken. „Auch wegen potenziellem Eiswurf müssen wir unsere Windkraftanlagen an manchen Tagen abschalten, obwohl diese Anlagen mit einem Anti–Eis–Modulen ausgerüstet sind. Daher halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass da jemand zu Schaden kommt“, sagt Niedzwetzki. „Diese drei Möglichkeiten der Abschaltung, bedingt durch die Baugenehmigung, machen einen Anteil von rund 1,8 Prozent der Verfügbarkeit einer Anlage aus.“

Doch nennt Niedzwetzki weitere Laufzeitverluste: Rund ein Prozent der Verfügbarkeit einer Anlage geht durch die Wartung der Windkraftanlage verloren. Ein weiteres Prozent geht durch Wartung, Ausbau und Modernisierung des Netzes verloren. Den größten Zeitverlust, nämlich 1,8 Prozent der Verfügbarkeit einer Anlage, geht durch eine zu hohe Energiegewinnung verloren. Das hat gleich mehrere Ursachen.

Da ist zum einen eine starke Brise, wie man so schön im Norden sagt. Die Netze sind noch nicht so weit ausgebaut, dass sie all den erzeugten Strom aufnehmen können. Zudem gibt es Konkurrenz, im Bereich Bartow durch Solarparks. Sind bereits die Netze durch guten Wind und gleichzeitig hohe Sonneneinstrahlung komplett gefüllt, sodass die Energieerzeugung den Bedarf übersteigt, werden die Anlagen gedrosselt oder ganz abgeschaltet. „Hinzu kommt die Stromvermarktung. So gibt es zeitweise einen negativen Strompreis, der sich an den Börsen senkt, wenn zu viel Strom auf dem Markt angeboten wird“, erklärt Niedzwetzki.
Hauptstörfaktor: Atomkraftwerke

Der Geschäftsführer sieht aber noch ein weiteres Problem, dass aus den alten Bundesländern kommt. So sind ein Hauptstörfaktor beim Ausbau der Erneuerbaren Energien im selben Stromnetz die Atomkraftwerke. Deren Energieleistung lässt sich während der Betriebszeit, so Niedzwetzki, nur schwer drosseln. Nicht nur deshalb befürwortet die Bundesregierung den Betrieb von Gaskraftwerken, die man bedarfsgerecht herunterdrosseln kann und bei entsprechender Technik auf Wasserstoff umrüsten kann.

In Deutschland hat sich das Thema Atomkraft inzwischen erledigt. Diesen Samstag werden die letzten drei deutschen Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 endgültig abgeschaltet. Dagegen bleiben aber die französischen Atomkraftwerke an der deutschen Grenze weiterhin ein Thema. „Ich wünscht mir, dass die künstlichen Auflagen auf tatsächliche Auswirkungen untersucht werden. Warum muss ich wegen Fledermäuse die Anlagen abschalten, wenn diese gar nicht vorhanden sind oder beeinträchtigt werden?“, fragt Niedzwetzki.

„Zudem wünsche ich mir einen schnelleren Netzausbau, der sich positiv auszahlt für Erzeuger und Verbraucher.“ Ein Vorschlag von ihm in diesem Zusammenhang ist der Aufbau grüner Gewerbegebiete. Somit wird die Energie ohne lange Umwege vor Ort verbraucht — die überschüssige Energiemenge könnte dazu verwendet werden, um dort Wasserstoff herzustellen.
Ausgleichszahlungen für Stromerzeuger

Aber wie sieht es denn finanziell für einen Windparkbetreiber aus, wenn die Windkraftanlage zum Stillstand gezwungen wird? Wenn der Netzbetreiber nicht die volle Menge an Strom abnehmen kann und durch einen sogenannten Redispatch eingreift, kann der Stromerzeuger Ausgleichszahlungen einfordern. Grundlage sind hier die Tarife im Erneuerbaren Energiegesetz (EEG). „Wir können für die Ausfallzeit der Verfügbarkeit einer Anlage 90 Prozent des voraussichtlich erzeugten Stromes dem Netzbetreiber als Ausgleichszahlung in Rechnung stellen“, so Niedzwetzki. „Bei unseren Wartungen und Reparaturen geht das natürlich nicht, es sei denn, wir können wegen Mangel beim Hersteller eine Entschädigung einfordern.“

Also kein Minusgeschäft für die Betreiber, wenn die Windräder stillstehen. Der Bartower Bürgermeister René Nast fragt sich aber auch, warum bei der Energiewende vordergründig die Anlagen der Energieerzeuger ausgebaut werden, aber nicht die notwendigen Trassen, damit der Strom im ganzen Land verteilt werden kann. Nast treibt die Sorge um, dass Netzbetreiber Haushalte mit Wärmepumpen bei bestimmten Überlastungszeiten sogar vom Netz nehmen. Der Grund für solche Sperrzeiten liegt in der Netzstabilität, die in Gefahr wäre.

„Dabei haben ja noch nicht einmal viele Haushalte Wärmepumpen. Wie soll das erst werden, wenn noch wesentlich mehr Haushalte auf Wärmepumpen umsteigen“, kritisiert Nast und fordert einen schnelleren Trassenausbau. „Windräder in der Landschaft, die nett aussehen, aber Trassen, die nicht genügend Strom verteilen können — so wirkt die Energiewende nur als Symbolpolitik“, findet der Bürgermeister.

Zum original Nordkurierartikel vom 15.04.2023